Alle Jahre wieder flammt die Diskussion um die Einführung von Pflegekammern auf. Nun ist sie in den Bundesländern Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz beschlossen worden. In Bayern soll es einen „Pflegering“ ohne Zwangsmitgliedschaft geben.
In den Pflegekammern sollen alle Pflegefachkräfte Mitglied werden. Die Mitgliedschaft ist Pflicht. Mit ihren Beiträgen wird die Kammer finanziert. Die Pflegekammer sollen die Ausbildungsinhalte festlegen und auch die Prüfungen abnehmen. Auch sollen die Pflegestandards durch dieses vermeintliche Selbstverwaltungsorgan festgelegt werden.
Es gibt sicher einige gute Gründe für die Einführung eines Selbstverwaltungsorgans der Pflegenden, so dass es auch nachvollziehbar ist, dass dieses Projekt auch von der Initiative „Pflege am Boden“ oder anderen Gruppen von Pflegerinnen und Pflegern unterstützt wird.
Obwohl Pflegehilfskräfte fast die dieselbe Arbeit verrichten, sollen sie nicht Mitglied in der Kammer werden. Manche Pflegehilfskräfte, egal ob examiniert oder nicht, sind bloß deshalb keine Fachkräfte, weil sich die Ausbildung im Verhältnis zur zu erwartenden Gehaltssteigerung nicht lohnt.
Was sollen die Kammern bringen?
Die Pflegekammer soll eine Berufsordnung erlassen. Diese soll Rechte und Pflichten im Beruf regeln, berufswürdiges Verhalten fördern und berufsunwürdiges verhindern. Gab es in der Vergangenheit einen Mangel an solchen Regeln oder ist es eher der Personalmangel, der eine gute Pflege und den Schutz der Gesundheit der Pflegenden verhindert?
Die Pflegekammern sollen das Ansehen des Berufes verbessern. Muss das Ansehen des Berufes verbessert werden? Anwälte haben auch so eine Kammer, diese kann aber nicht verhindern, dass einzelne Abmahnanwälte und –anwältinnen , oder schlecht beratende Juristinnen und Juristen, oder solche die sinnlose Prozesse führen, weil sie nach dem Geldbeutel der Mandantschaft schielen, das Berufsbild immer wieder in den Dreck ziehen. Wie oft werden Anwältinnen oder Anwälten die Zulassungen entzogen? Und wie oft geschieht dies dann durch die Kammer und wie oft durch das Gericht?
Die Pflegekammern sollen für die regelmäßige Weiterbildung sorgen. Die Pflicht zur Weiterbildung ist bereits Bestandteil des Altenpflegegesetztes. Deshalb steht auch in den meisten Arbeitsverträgen, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Pflicht zur Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen haben und die Arbeitgeber dieses bezahlen und die Weiterbildung ist Arbeitszeit. Die Pläne zur Pflegekammer sehen vor, dass die Pflegefachkräfte die Weiterbildungen über ihre Beiträge, eventuell auch noch mit Kursgebühren, selbst bezahlen und die Weiterbildung als Arbeitszeit werten. Warum sollte der Arbeitgeber dann noch diese zusätzlichen Kosten aufbringen?
Es sollen Schiedsgerichte eingeführt werden. Damit verschlechtert sich die rechtliche Stellung der in der Pflege beschäftigten. Wichtig wäre mehr Mut der Pflegenden, vor Arbeitsgerichte zu ziehen und teilweise auch strafrechtlich gegen einige Arbeitgeber vorzugehen. Für Theatermitarbeiter und -mitarbeiterinnen gibt es die Bühnenschiedsgerichte, deren Urteile oft dilettantisch sind und eine große Unkenntnis des geltenden Arbeitsrechtes erkennen lassen. Die Zeiten von „nun habt Euch wieder alle lieb“ müssen in der Pflege endlich vorbei sein!
Die Pflegekammer soll eine politische Vertretung sein. Das heißt, man will sowohl den mitarbeitenden Chef eines ambulanten Pflegedienstes wie seine Angestellten vertreten. Da muss entweder Parteienverrat stattfinden oder man stellt sich auf die Position, aus der die Deutsche Arbeitsfront hervorgegangen ist. Da sind die Arbeitgeber besser in den Arbeitgeberverbänden und die Angestellten in den Gewerkschaften aufgrhoben. Die IHK tritt auch als politische Vertretung auf. Bei ihren Verlautbarungen sind aber viele IHK-Mitglieder eher peinlich berührt.
Die Pflegekammern wollen zusätzliche Kontrollen durchführen. Was soll es nutzen, wenn noch einer mehr kommt und die Temperatur im Kühlschrank prüft oder ob die Dokumentation vollständig aussieht? Wenn sich eine bettlägerige Patientin wundgelegen hat, bleibt das genauso unentdeckt wie bisher. Es soll hier auch nicht verschwiegen werden, dass die Krankenkassen die Pläne zur Errichtung von Pflegekammern, teils offen, teils verhalten, unterstützen. Offenbar erhofft man sich Einsparungen für die Kosten des Medizinischen Diensts der Krankenkassen. Diesen Teil der Kosten tragen dann die Pflegenden selbst mit ihren Zwangsbeiträgen.
Damit werden auch die Funktionäre bezahlt.
Neue Posten für Funktionäre
Es besteht hier die Gefahr, dass ein neues Versorgungswerk für Vereinsmeier mit den richtigen Kontakten entsteht. Oder sollen die Funktionäre und Funktionärinnen aus der Pflege selbst kommen, also mit dem Abzug der besten Fachkräfte an die Schreibtische der Pflegekammer der Fachkräftemangel verstärkt werden. Der verdi-Fachbereich Soziales lässt dazu selbstbewusst verlautbaren: „Obwohl ver.di seit vielen Jahren die mit Abstand größte Gruppe der organisierten Pflegekräfte stellt und gute Chancen hat, bei Kammerwahlen Mehrheiten zu erreichen, sprechen wir uns nicht für eine Zwangsverkammerung aus.“ Die aktuellen Probleme für die Pflegenden und Gepflegten resultieren nicht aus einem Mangel an Organisationen, sondern daraus, dass mit Pflege nicht nur Geld verdient werden kann, sondern muss. Solange der Taschenrechner der Herr über Bettpfanne und Essenwagen ist, sind solche Pläne nur Scheinlösungen.
Thomas Bloch
Erschienen in DA 10/2015