Schluß mit der Agentur!

Mehr als fünfzig Leute sind dem Aufruf gefolgt, um acht Uhr zur Arbeitsagentur zu kommen. Davon kam ca. die Hälfte aus dem libertären Spektrum. Das Erwerbslosensyndikat hatte sich seit einigen Wochen mit der Aktion beschäftigt und im Schlußspurt Unterstützung durch zahlreiche Leipziger Libertäre erhalten. Die Agenturleitung hatte sich für die Deeskalationsstrategie entschieden, d.h. die Demonstration im Innern der Arbeitsagentur zuzulassen.

Dies mag nicht zuletzt daran liegen, daß der Herr Leistner, seines Zeichens
Pressesprecher, den Laden auch liebend gern selbst dichtmachen würde ;). Allerdings standen in den Seitenstraßen Bereitschaftswagen der Polizei bereit, die nach Angaben des Pressesprechers bei Blockaden oder ähnlichen Betriebsstörungen auch eingesetzt worden wären.
Also sind wir rein, haben überall Transpis aufgehängt, es gab ein offenes Megaphon, an dem sich auch einige ausprobierten. Andere sind durch die kasernenhofartige Architektur der Agentur gewandelt, um an Angestellte und Schlange stehende Erwerbslose Flyer und DA-Sonderzeitungen zu verteilen. Die Wartezeiten der „KundInnen“ lagen bei bis zu zwei Stunden. Es gab wie immer sowohl positive zustimmende Reaktionen, wie auch mürrische und ablehnende Haltungen.
So ab 9 Uhr lichteten sich die Reihen und es blieben gegen Ende nur noch zwanzig bis dreißig Leute übrig. Anwesend waren neben den FAUistas und weiteren Leipziger Libertären und Aktivisten Wertkritische Kommunisten, Mitglieder der Linken StudentInnengruppe und aus dem Parteienspektrum ein paar SAVler, DKPler, WASGler sowie einige Schilder tragende PDSler, welche sich standhaft weigerten reinzukommen, dafür ihre Schilder vorteilhaft in die Kameras hielten. Die Presse war auch anwesend, stellte ein paar Fragen, machte Fotos usw. Das „Unsere Agenda heißt Widerstand“-Transpi war auch bei mdr-aktuell zu sehen (nicht nur die PDS kann posen 🙂 ) Gegen Ende fand die zweite Sklavenversteigerung statt (die erste wurde zur Mobilisierung abgehalten), drei „Mufuhahi“ (Multifunktionale Haushaltshilfen) wurden „flexibel, biologisch abbaubar, garantiert gewerkschaftsfrei und mit 45 Jahren Garantie“ für nicht mal ein Euro an interessierte Sklavenhalter versteigert! Dies brachte noch ein Mal Aufmerksamkeit und Sympathie, bevor wir kurz nach zehn die Transpis einpackten, noch ein paar Flyer verteilten und uns zum Kaffeetrinken zurückzogen, schließlich waren nicht wenige von uns bereits seit fünf oder sechs Uhr auf den Beinen. Alles in allem kein Megaevent, aber eine symbolische Aktion „liebenswerter Kuschelanarchisten“ 😉 .

Unser Flyer:

Schluß mit der Agentur!

Warum? Die Arbeitsagentur ist der Haupttatort der Umsetzung von Hartz IV. Gegen dieses und andere Maßnahmen der „Agenda 2010“ haben wir Woche für Woche demonstriert. Hier werden wir, jetzige und zukünftige Arbeitslose, verwaltet, und sind den Sachbearbeitern „klein mit Hut“ ausgeliefert. Wir demonstrieren jedoch nicht gegen die Angestellten der Agentur, denn diese sind selbst Lohnabhängige wie wir und werden als Werkzeuge des Staates gegen uns eingesetzt. Der Staat, der uns angeblich versorgen will. Der Staat, der uns in „Ein-Euro-Jobs“ drücken, zwangsumsiedeln und in Niedrigjobs drängen will. „Arbeit, Arbeit, Arbeit“ geht auf unsere Kosten!

„Agenturschluss“ setzt ein Zeichen, das Signal, daß wir uns nicht mehr einfach so unterordnen, daß der Kapitalismus nur so lange funktioniert, wie wir funktionieren.

Irgendwann hat jeder von uns Hoffnungen in Staatsmaßnahmen und Parteienpolitik gehabt, etwa daß die Grünen keine Kriege führen, oder daß SPD und PDS in ihrer Regierungsverantwortung eine soziale Politik machen würden. Die immer wieder enttäuschte Hoffnung führte uns zu dem Schluß, daß die „Fehler“ System haben, daß kurz gesagt, das System der Fehler ist, daß jede Hoffnung in den Staat und alte wie neue Parteien vergebens ist, daß Vorstände, Parlamente und bezahlte Funktionäre uns eher verraten als unsere Interessen vertreten.

Der Schlußstrich unter die parlamentarischen Illusionen ist überfällig. Daraus folgt für uns, daß wir unsere Interessen und unsere menschliche Würde nur selbst verteidigen können. Das heißt auch, daß wir uns zusammenschließen müssen. Denn durch solidarische und gleichberechtigte Organisierung sind wir stärker als in der Vereinzelung, in die uns die kapitalistische Konkurrenz treibt.

Organisieren wir den Widerstand gegen Hartz, Agenda 2010 und dem was noch kommen wird.

Organisieren wir uns, eine Gesellschaft zu erkämpfen, in der für alle ein menschenwürdiges Leben möglich ist, denn Jede und Jeder soll seine Fähigkeiten einbringen können, und nicht zum alten Eisen geworfen werden,weil man zu alt sei oder wenn der eigene Arbeitsplatz wegrationalisiert wurde.

Organisieren wir die gegenseitige Hilfe, um uns bei Problemen beizustehen.

Organisieren wir uns dort, wo die Basis das Sagen hat –
selbstorganisiert, kämpferisch und solidarisch!

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